Arbeit und Drogen: gesundheitliche und soziale Maßnahmen
Einleitung
Dieser Leitfaden ist einer von mehreren Publikationen, die unter dem Titel Gesundheitliche und soziale Maßnahmen im Umgang mit Drogenproblemen: ein europäischer Leitfaden zusammengefasst sind. Er bietet einen Überblick darüber, was bei der Planung oder Durchführung gesundheitlicher und sozialer Maßnahmen zur Bewältigung drogenbedingter Probleme am Arbeitsplatz zu berücksichtigen ist, und gibt einen Überblick über die verfügbaren Maßnahmen und ihre Wirksamkeit. Darüber hinaus werden die Auswirkungen auf Politik und Praxis beleuchtet.
Zuletzt aktualisiert: März 2022.

Inhaltsverzeichnis:
Überblick
Kernpunkte
In Europa dürfte ein erheblicher Anteil der Arbeitnehmer durch den Konsum von Alkohol oder Drogen bedingte Probleme haben. So haben beispielsweise Schätzungen zufolge zwischen 5% und 20% der erwerbstätigen Bevölkerung Europas schwerwiegende Probleme aufgrund ihres Alkoholkonsums. Neben den allgemeinen gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen sind Probleme im Zusammenhang mit dem Substanzkonsum in Branchen, die mit Sicherheitsfragen verbunden sind oder in denen individuelle Leistungsschwächen erhebliche Auswirkungen haben können, von großer Bedeutung. Hierzu zählen unter anderem die Sektoren Bau, Landwirtschaft, Verkehr, Energie, IKT und Finanzdienstleistungen.
Alkohol- und Drogenkonsum ist bei der Arbeit ein wichtiges Thema, weil:
- er zu Unfällen und Verletzungen, Fehlzeiten und unangemessenem Verhalten führen kann;
- er eine wirtschaftliche Belastung für Arbeitgeber, Staat und Gesellschaft bedeuten kann;
- Arbeitgeber nach den gesetzlichen Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften verpflichtet sind, die Gesundheit, die Sicherheit und das Wohlbefinden ihrer Beschäftigten und aller von deren Tätigkeiten betroffenen Personen angemessen zu schützen;
- Arbeitsplätze bieten auch Möglichkeiten für die gesundheitliche Aufklärung in Bezug auf Alkohol und Drogen und für die Identifizierung von Personen, die Probleme mit Alkohol und Drogenkonsum haben oder Familienangehörige mit Drogen- oder Alkoholproblemen haben.
Darüber hinaus kann am Arbeitsplatz die soziale Wiedereingliederung von Menschen, die in der Vergangenheit Drogenproblemen hatten, unterstützt werden.
Evidenzdaten und Maßnahmen
Es gibt keinen umfassenden Überblick über Umfang und Art der verschiedenen Arten von arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen in Europa. Darüber hinaus liegen nur wenige Belege für die Wirksamkeit verschiedener Maßnahmen vor. Folgende Maßnahmen können umgesetzt werden:
- Unternehmensstrategien mit Schwerpunkt auf dem Konsum von Alkohol und Drogen am Arbeitsplatz und der Unterstützung von Beschäftigten mit problematischem Substanzkonsum;
- Prävention durch Informations-, Aufklärungs- und Schulungsprogramme zu Fragen im Zusammenhang mit Alkohol und Drogen, vorzugsweise im Rahmen breiter angelegter Gesundheitsförderungsprogramme;
- formale Screenings und Drogentests in sicherheitskritischen Branchen;
- Maßnahmen zur Ermittlung von Mitarbeitern, die substanzbedingte Probleme haben, und zu ihrer Unterstützung, einschließlich der Förderung der Überweisung an Behandlungs- und Rehabilitationsprogramme;
- Maßnahmen zur Untersuchung von Faktoren auf Organisationsebene, die zu drogenbedingten Problemen der Belegschaft beitragen können;
- Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen, die in der Vergangenheit Drogenprobleme hatten.
Die Situation in Europa
In den meisten europäischen Ländern gibt es allgemeine Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen, die den Konsum von Alkohol und Drogen am Arbeitsplatz verbieten oder regulieren. Je nach den kulturellen Gegebenheiten und in Abhängigkeit davon, wie viel Aufmerksamkeit und welche Bedeutung diesem Problem beigemessen wird, bestehen zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Art der geltenden Gesetze und der Form der Rechtsvorschriften im Bereich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit.
Mit Blick auf die Zukunft könnte der Konsum von Drogen zur Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten, wie z. B. Modafinil zur Verbesserung der kognitiven Funktionen, am Arbeitsplatz zu einem immer größeren Problem werden.
Kernpunkte im Zusammenhang mit Drogenkonsum und Arbeit
Alkohol und Drogen stellen für einen erheblichen Teil der erwerbstätigen Bevölkerung ein ernstes Problem dar. Nationale Schätzungen in Europa weisen darauf hin, dass zwischen 5 % und 20 % der Arbeitnehmer entweder alkoholabhängig oder abhängigkeitsgefährdet sind. Während sich die Bedenken weiterhin auf die Auswirkungen von Alkohol, etablierten illegalen Drogen und einigen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln konzentrieren, ergeben sich neue Herausforderungen im Zusammenhang mit vermeintlich leistungssteigernd wirkenden Mitteln.
Alkohol- und Drogenkonsum können potenzielle Probleme am Arbeitsplatz, wie Unfälle und Verletzungen, Fehlzeiten und unangemessenes Verhalten, verschärfen. Alkohol- oder Drogenrausch kann die Arbeitsleistung beeinträchtigen, indem er die Entscheidungsfähigkeit und die Reaktionszeiten beeinträchtigt, die Produktivität verringert und zur Herstellung minderwertiger Waren und Dienstleistungen sowie zu Fehlern und Arbeitsunfällen führt.
Die Gründe für den Konsum von Alkohol oder Drogen am Arbeitsplatz lassen sich in berufsbezogene und soziale oder persönliche Kategorien unterteilen. Zu den arbeitsbedingten Gründen gehören schwierige körperliche oder unangenehme Arbeitsbedingungen (z. B. eine kalte Umgebung, lange Arbeitszeiten, extreme körperliche Anstrengung), geringe Zufriedenheit bei der Arbeit, unregelmäßige Arbeitszeiten und Schichtarbeit. Zu den weiteren Ursachen, die hier ermittelt wurden, zählen eine als solche wahrgenommene geringe soziale Unterstützung durch Kollegen, ein geringer Entscheidungsspielraum und verschiedene Faktoren im Zusammenhang mit Stress bei der Arbeit. Dies könnte die Ursache dafür sein, dass bestimmte Berufe mit größerer Wahrscheinlichkeit mit dem Substanzkonsum in Verbindung gebracht werden. Beispielsweise besteht bei Lkw-Fahrern im Fernverkehr, die über lange, eintönige Lenkzeiten hinweg wach bleiben und ihre Konzentration aufrechterhalten müssen, möglicherweise ein höheres Risiko, Stimulanzien zu konsumieren. Ärzte und andere Angehörige der Gesundheitsberufe können aufgrund des einfachen Zugangs zu Arzneimitteln, verbunden mit langen Schichten und Stress bei der Arbeit, anfällig für Suchtprobleme sein. Für andere Gruppen von Arbeitnehmern, die unter hohem Druck stehen oder in Arbeitskulturen tätig sind, in denen Wettbewerbsruck herrscht oder Mobbing betrieben wird, darunter Händler in Städten, Wissenschaftler und Rechtsanwälte, gibt es verschiedene Gründen, Stoffe zur Steigerung der kognitiven Leistung zu konsumieren, um beispielsweise die Produktivität zu steigern oder Jetlags zu bekämpfen.
Ein Bereich, der zunehmend Anlass zur Sorge gibt, ist die rasche Zunahme kurzfristiger Beschäftigungsverhältnisse und der sogenannten prekären Arbeitsverhältnisse in Europa und weltweit. Zu den Merkmalen dieser Beschäftigungsverhältnisse gehören fehlende soziale/individuelle Kontrolle der Arbeitsbedingungen, die Fragmentierung der Arbeitszeit und der Arbeitsräume, sich überschneidende oder verschwommene Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben oder Schwierigkeiten bei der Herstellung eines Gleichgewichts zwischen bezahlter Arbeit und anderen Lebensbereichen, Wettbewerbsbedingungen, Mangel an Arbeit und Gefährdungen des eigenen Lebensunterhalts sowie ein hohes Maß an Überwachung der Beschäftigten. All diese Faktoren können die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Substanzen konsumiert werden, um widerstreitende Drucksituationen und Belastungen zu bewältigen.
Zu den nicht arbeitsbezogenen Gründen gehören soziale Faktoren, wie eine „hohe“ soziale Toleranz gegenüber Alkohol und Drogenkonsum (die Normalisierung des Substanzkonsums), kulturelle Muster, die die Wahrscheinlichkeit des Drogenkonsums von Arbeitnehmern erhöhen, und der bessere Zugang zu diesen Substanzen durch Beschäftigte (beispielsweise in der Alkohol- und Unterhaltungsbranche).
Eine Reihe von ethischen und häufig rechtlichen Verpflichtungen sind für Maßnahmen für Probleme im Zusammenhang mit dem Substanzmissbrauch am Arbeitsplatz relevant. In diesem Zusammenhang sind organisatorische Faktoren und Arbeitspraktiken als potenzielle Triebkräfte des Substanzkonsums von Bedeutung. Medizinische Fachkräfte, die vor Ort Beschäftigten unterstützen oder die Organisationsführung beraten, müssen ihre Rolle klären und die Vertraulichkeit der Patientinnen und Patienten wahren. Es wird allgemein anerkannt, dass Vorgesetzte und Aufsichtspersonal darin geschult werden sollten, Anzeichen für einen problematischen Konsum von Alkohol oder illegalen Drogen in ihrer Belegschaft zu erkennen. Sie müssen auch wissen, wie sie reagieren, wenn sie den Verdacht haben, dass Mitarbeiter ein Problem mit dem Substanzkonsum haben, oder wenn Mitarbeiter sich ihnen gegenüber mit einem solchen Problem offenbaren. Darüber hinaus muss anerkannt werden, dass auch Vorgesetzte und Aufsichtspersonal selbst auch Probleme mit dem Konsum von Alkohol und illegalen Drogen haben können.
Bei der Unterstützung von Menschen, die ein Alkohol- oder Drogenproblem haben oder hatten, bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz spielen Gesundheitsfachkräfte eine wichtige Rolle. Sie können sehr einflussreich sein, wenn es darum geht, die Bedenken der Arbeitgeber hinsichtlich der damit verbundenen Risiken auszuräumen, Stigmatisierungen und negative Stereotypen zu begegnen und Vorgesetzte dabei zu unterstützen, von der Anwendung willkürlicher Abstinenzzeiten abzusehen, es sei denn, sie sind gesetzlich dazu verpflichtet, z. B. für das Führen eines Fahrzeugs.
Der Konsum von den Menschen optimierenden Drogen am Arbeitsplatz stellt ein zunehmendes Problem dar. Dabei handelt es sich um Substanzen, die scheinbar Eigenschaften, das Aussehen, die Stimmung oder die Leistung von Menschen verbessern können. Es gibt mehrere Arten solcher Substanzen, z. B. solche, die die Leistung und das Image optimieren (PIED) (siehe Im Blickpunkt ... Die Leistung und das Image steigernde Drogen) oder die kognitive Leistung verbessern, die sexuelle Leistung steigern, die Stimmung aufhellen oder das Verhalten optimieren. Substanzen, die die kognitive Leistung verbessern – auch als „intelligente“ Drogen bezeichnet –, geben am Arbeitsplatz besonderen Anlass zur Sorge. Dazu gehören Arzneimittel wie Ritalin (Methylphenidat), Provigil (Modafinil) und Adderall (Amphetaminsalze), die ohne ärztliche Verschreibung oder medizinische Überwachung in anderen Dosen als den empfohlenen medizinischen Anwendungen konsumiert werden können, da davon ausgegangen wird, dass sie die Konzentration und die kognitive Leistung verbessern, auch wenn die Belege dafür begrenzt sind.
Zuletzt wurde in den Medien die Praxis der „Mikrodosierung“ von Halluzinogenen wie LSD (Lysergsäurediethylamid) zur Steigerung der Kreativität beleuchtet, wie sie angeblich z. B. in der Softwareentwicklung praktiziert wird. Dies ist ein Beispiel für den Konsum verschiedenster Substanzen, Drogen, Nahrungsergänzungs- und Ernährungsprodukten, die unter den Oberbegriff „Nootropika“ fallen und von denen angenommen wird, dass sie die geistige Leistungsfähigkeit verbessern.
Die Vielzahl an konsumierbaren Substanzen und die Tatsache, dass einige dieser Substanzen rechtmäßig konsumiert werden können – weil sie für medizinische Zwecke verschrieben oder wie im Falle von Alkohol und einigen neuartigen psychoaktiven Substanzen legal verkauft werden –, erschweren das Ergreifen von Maßnahmen. Auch die Versorgungsquellen sind vielfältiger geworden, wobei insbesondere Internetapotheken, das Darknet und soziale Medien einen leichteren Zugang zu von den Menschen optimierenden Drogen und anderen Substanzen bieten.
Evidenzdaten und Maßnahmen in Bezug auf Drogenprobleme und Arbeit
Maßnahmen zur Bekämpfung der Drogenproblematik am Arbeitsplatz zielten zunächst darauf ab, die Sicherheit am Arbeitsplatz zu verbessern, konzentrieren sich jedoch zunehmend auf die Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Belegschaft, was auch für die breitere Gemeinschaft von Nutzen sein kann. Arbeitsplätze bieten Möglichkeiten für gesundheitliche Aufklärung in Bezug auf Alkohol und Drogen. Sie bieten auch die Möglichkeit, Personen zu identifizieren, die ein Problem mit dem Konsum von Alkohol oder illegalen Drogen haben. Vor Ort unterstützende medizinische Fachkräfte sind in einer guten Position, um Beschäftigten gesundheitliche Beratung zu bieten. Sie können Vorgesetzte und Aufsichtspersonal auch darin schulen, den Konsum von Alkohol und illegalen Drogen am Arbeitsplatz zu erkennen und damit umzugehen.
Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) hat einen Praxisleitfaden für den Umgang mit Alkohol- und Drogenproblemen am Arbeitsplatz erstellt. Dieser legt den Schwerpunkt auf Prävention und verfolgt einen gesundheitsorientierten Ansatz und keinen disziplinarischen Ansatz. Auf nationaler Ebene werden Ansätze zur Lösung drogenbedingter Probleme am Arbeitsplatz vom administrativen, rechtlichen und kulturellen Kontext in den einzelnen Ländern beeinflusst. Rechtsvorschriften und Maßnahmen in den Bereichen Arbeitsrecht sowie Sicherheit und Gesundheitsschutz können auch für Drogenprobleme am Arbeitsplatz relevant sein. Darüber hinaus können die Länder zur Unterstützung ihrer Maßnahmen eigene Leitfäden für Arbeitgeber erstellen.
Die folgenden Maßnahmen können zur Bekämpfung von Drogenkonsums und drogenbedingten Problemen am Arbeitsplatz eingesetzt werden. Wie und in welchen Bereichen konkret diese Maßnahmen ergriffen werden, hängt jedoch sowohl von der Branche als auch von der Art der Tätigkeiten einer Organisation sowie von der Größe der Organisation ab. Große Unternehmen verfügen über große Personalabteilungen und haben wahrscheinlich Zugang zu Spezialisten für Drogen- und Alkoholprobleme. In kleinen und mittleren Unternehmen ist in der Regel der Inhaber, der Geschäftsführer oder der Standortleiter für Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes zuständig.
- Strategien am Arbeitsplatz. Alle Organisationen können davon profitieren, wenn sie zusätzlich zu allgemeineren Gesundheits- und Disziplinarprotokollen eine Drogenpolitik haben. Eine formelle Drogenpolitik am Arbeitsplatz bietet die Möglichkeit, mit gutem Beispiel voranzugehen und die Bereitstellung angemessener Unterstützung und Hilfe für die Belegschaft zu fördern. Der Schwerpunkt sollte auf vorbeugenden Maßnahmen liegen. Einige Strategien schränken den Konsum von Alkohol und Drogen am Arbeitsplatz ein, wodurch Normen festgelegt und die Verfügbarkeit eingeschränkt werden. Es gibt verschiedene Modelle für die Politikentwicklung, aber die Einbeziehung der Beschäftigten in ihre Gestaltung gilt im Allgemeinen als bewährte Vorgehensweise.
- Prävention durch Informations-, Aufklärungs- und Schulungsprogramme. Die Einbeziehung von Alkohol- und Drogenproblemen in breiter angelegte Programme zur Gesundheitsförderung kann solche Programme für Beschäftigte attraktiver machen. Die Kommunikation von Informationen über den Menschen optimierende Drogen muss das Bewusstsein für die Risiken und Gefahren dieser Substanzen schärfen, ohne deren potenzielle Attraktivität zu erhöhen.
- Formales Screening auf Drogenprobleme. Hierfür gibt es drei Optionen: 1) Bewerberscreenings; 2) ereignisbezogene oder ursachenbezogene Screenings von Beschäftigten (z. B. nach einem Unfall, zur Überprüfung der Diensttauglichkeit); und 3) Screenings ohne spezifische Ursache im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, wobei die Teilnehmenden häufig nach dem Zufallsprinzip aus einem Kreis von Personen in bestimmten sicherheitssensiblen oder -kritischen Positionen ausgewählt werden. Die Wirksamkeit von Tests bei der Verringerung von Unfällen und der Verbesserung der Arbeitsleistung ist jedoch nur sehr begrenzt nachgewiesen, und die wenigen durchgeführten Studien weisen eine schlechte Qualität auf. Die technischen, ethischen und rechtlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit Testprogrammen nehmen zu, da es immer mehr Substanzen gibt und die Grenzen zwischen legalem und illegalem Substanzkonsum immer unschärfer werden.
- Ermittlung von Problemen auf individueller Ebene. An Arbeitsplätzen ohne formale Drogentestvorgaben werden Drogenprobleme häufig entweder durch Offenbarung der Betroffenen oder durch den Arbeitgeber selbst entdeckt, und zwar entweder informell im Rahmen von Gesprächen über schwache Leistungen oder durch formale Bewertungen. Werden solche Probleme entdeckt, können am Arbeitsplatz eine Reihe von unterstützenden Maßnahmen angeboten werden, darunter Beratung und die Überweisung an spezielle Betreuungsangebote. Ziel dieser Maßnahmen kann es sein, Hilfe und Unterstützung zu bieten und Disziplinarverfahren oder die Entlassung von Beschäftigten mit problematischem Substanzkonsum zu verhindern, was in der Regel von abhängt, ob sie in der Lage sind, Probleme, die sich negativ auf die Arbeitsleistung auswirken, konstruktiv anzugehen.
- Ermittlung von Problemen auf Organisationsebene. In Zusammenarbeit mit Arbeitnehmern kann es ein bewährtes Verfahren für Arbeitgeber sein, auf organisatorischer Ebene Elemente zu ermitteln und anzugehen, die zu drogenbedingten Problemen beitragen können. Darüber hinaus kann die Überprüfung der Sozialisierungskulturen in der Organisation – Konsum alkoholischer Getränke nach der Arbeit, Mitarbeiterevents, Kundenveranstaltungen usw. – als Informationsgrundlage für Veränderungen bei bestimmten sozialen Praktiken dienen, die nicht nur Mitarbeiter schützen, die ihren Konsum einschränken möchten, sondern auch einen breiteren gesundheitlichen Nutzen für die Gesamtbelegschaft bieten.
- Maßnahmen zur unmittelbaren Reaktion auf substanzbedingte Probleme. Diese Maßnahmen umfassen Beratung, die Überweisung an Behandlungs- und Rehabilitationsprogramme sowie die Finanzierung dieser Programme. Art und Umfang der geleisteten Unterstützung hängen von einer Reihe von Faktoren ab, einschließlich der Größe der Organisation. Zu den Maßnahmen, die mindestens in Betracht gezogen werden sollten, gehören die Ermittlung spezialisierter Dienste in dem betreffenden Bereich und die Bereitstellung von Informationen zu diesen Diensten oder gegebenenfalls die Überweisung an diese Dienste, die Ermittlung gemeinschaftlicher Unterstützungsstellen und Selbsthilfegruppen, die für die betroffene Person hilfreich sein könnten, sowie die Anregung der Inanspruchnahme von hausärztlicher Unterstützung.
Darüber hinaus kann am Arbeitsplatz die soziale Wiedereingliederung von Menschen, die in der Vergangenheit Drogenproblemen hatten, unterstützt werden. Die Stigmatisierung, die insbesondere mit problematischem Drogenkonsum einhergeht, kann ein großes Hindernis für die Beschäftigung darstellen, die jedoch ein Eckpfeiler der Wiedereingliederung ist. Einige Arbeitgeber haben jedoch bereits mit lokalen Drogenhilfsdiensten zusammengearbeitet, um Programme wie unterstützte Beschäftigungsprogramme zu entwickeln, die die Beschäftigung von Menschen, die in der Vergangenheit Drogenprobleme hatten, erleichtern. Diese Arbeitgeber berichten, dass diese Programme sowohl für die Organisation als auch für die Betroffenen von Vorteil sind.
Die Situation in Europa: Verfügbarkeit von Maßnahmen zur Bekämpfung von Drogenproblemen am Arbeitsplatz
Bisher gibt es keine Bestandsaufnahme der Praktiken und Maßnahmen im Zusammenhang mit substanzbezogenen Problemen am Arbeitsplatz auf europäischer Ebene. Aus einem von der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) im Jahr 2021 erstellten Bericht geht hervor, dass die meisten europäischen Länder über allgemeine Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen verfügen, mit denen der Konsum von Alkohol und Drogen am Arbeitsplatz verboten oder geregelt werden soll. Je nach den kulturellen Gegebenheiten und in Abhängigkeit davon, wie viel Aufmerksamkeit und welche Bedeutung diesem Problem beigemessen wird, bestehen zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Art der geltenden Gesetze und der Beschränkungen im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. So gibt es beispielsweise in einigen Ländern spezifische Vorschriften für den Alkoholkonsum, während Regelungen in diesem Bereich in anderen Ländern dem Arbeitgeber überlassen sind. Darüber hinaus werden mitunter zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern jenseits des nationalen Rechtsrahmens arbeitsvertragliche Regeln vereinbart.
Das in Schweden entwickelte Modell Sundsvall für die Politikentwicklung wurde unter dem Namen „Workplace Against Drugs“ (Arbeitsplatz gegen Drogen) bekannt. Es zielt über den Arbeitsplatz hinaus auch auf die Gemeinschaft. Es umfasste alle Arbeitsplätze in der Region und beinhaltete eine Reihe von Aktivitäten, mit denen das Bewusstsein für den problematischen Drogenkonsum am Arbeitsplatz und in der Gemeinschaft geschärft werden sollte, sowie Schulungsprogramme für Aufsichtspersonen, um die Identifizierung des problematischen Drogenkonsums in beiden Bereichen zu erleichtern. Darüber hinaus wurden Hilfe- und Unterstützungsnetzwerke auf der Grundlage von Überweisungsstrukturen und unter Beteiligung lokaler Dienste eingerichtet.
Die Evidenzlage hinsichtlich der Wirksamkeit der verschiedenen Programme und Maßnahmen, die in Europa umgesetzt werden, ist ebenfalls begrenzt, und die wenigen vorliegenden Daten stammen überwiegend aus den Vereinigten Staaten. Eine umfassende Bewertung des derzeitigen Angebots ist daher nicht möglich.
Mit der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) und Eurofound stehen jedoch Datenquellen zur Verfügung, die einige Informationen zum Umgang mit Alkohol- und Drogenproblemen am Arbeitsplatz liefern können. Ein gemeinsames Thema in diesem Zusammenhang ist die Bedeutung eines präventiven Ansatzes, bei dem Drogenprobleme aus gesundheitlicher Sicht und nicht disziplinarisch betrachtet werden. Die EU-OSHA führt beispielsweise die Europäische Unternehmenserhebung über neue und aufkommende Risiken (ESENER) durch, deren Schwerpunkt auf einer Reihe von Themen liegt: allgemeine Sicherheits- und Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz, psychosoziale Gefahren wie Stress, Mobbing und Belästigung, Faktoren, die Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit fördern bzw. behindern, sowie Arbeitnehmerbeteiligung an Praktiken für Sicherheit und Gesundheitsschutz. Die Erhebung wurde in den Jahren 2009, 2014 und 2019 durchgeführt, und die Daten sind online verfügbar. Sie ergab beispielsweise, dass etwa ein Drittel der befragten Personen in Europa in Unternehmen arbeitet, in denen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung bei den Beschäftigten ergriffen werden, einschließlich der Sensibilisierung für die Gefahren der Abhängigkeit von Tabak, Alkohol oder Drogen.
Das Europäische Netzwerk für die betriebliche Gesundheitsförderung (European Network for Workplace Health Promotion, ENWHP) bietet eine Plattform für alle Interessengruppen, die an der Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz interessiert sind. Ziel ist es, die Entwicklung der betrieblichen Gesundheitsförderung in Europa zu fördern, indem Einfluss auf die Politikgestaltung genommen wird, Aufklärungs- und Schulungsprogramme eingerichtet werden, Akkreditierungen bereitgestellt werden und die Forschung gefördert wird.
In Europa lag der Schwerpunkt der Maßnahmen bisher in der Regel auf der Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz. Es ist jedoch schwierig, einen Überblick über die gesundheits- und drogenbezogenen Maßnahmen am Arbeitsplatz zu geben. Die gewählten Ansätze hängen mitunter von der lokalen Praxis sowie von den kulturellen Erwartungen und der Größe der Unternehmen ab. Einige Organisationen bieten je nach Strategie und Verfahren des Unternehmens allen Vorgesetzten und dem gesamten Aufsichtspersonal Schulungen zum Umgang mit Mitarbeitern an, die möglicherweise Drogen konsumieren, Suchtprobleme haben oder am Arbeitsplatz berauscht sind. Andere, insbesondere kleinere Unternehmen, ziehen möglicherweise externe Berater hinzu, die die Entwicklung von Strategien, Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen unterstützen. In Deutschland beispielsweise richtet sich das Präventionsprogramm „Top on Job“ mit einem Peeransatz an junge Arbeitnehmer, bevor es zu Suchtproblemen kommt.
Einige Länder haben Maßnahmen zur Bekämpfung von nachgewiesenen Problemen im Zusammenhang mit dem Substanzkonsum eingeführt. In Belgien beispielsweise wurde ein System zur Überweisung an den Hausarzt eingerichtet, der den Mitarbeiter bei Bedarf an einen spezialisierten Drogenbehandlungsdienst weiterüberweisen kann. Hier geht es vor allem darum, Verbindungen und Überweisungsmöglichkeiten zwischen Drogenhilfsdiensten, Arbeitgeber und unterstützungsbedürftigen Arbeitnehmern zu erleichtern.
In Europa werden formale Drogenscreenings und -tests in der Regel nur dort durchgeführt, wo dies zur Förderung der Sicherheit am Arbeitsplatz erforderlich ist, beispielsweise im Transportsektor, in der Öl- und Nuklearindustrie und bei Streitkräften. Es gibt jedoch nur wenige Belege für die Wirksamkeit von Drogentests am Arbeitsplatz im Hinblick auf die Verringerung von Arbeitsunfällen und die Verbesserung der Leistung. Die Europäische Gesellschaft für Drogentests am Arbeitsplatz (European Workplace Drug Testing Society, EWDTS) bringt Nutzer und Anbieter von Drogentestdiensten zusammen und bietet so ein Diskussionsforum für den Austausch von Ideen und Informationen. Darüber hinaus hat sie Leitlinien für die Untersuchung von Speichel, Urin und Haaren entwickelt.
Mit Blick auf die Zukunft könnte der Konsum von den Menschen optimierenden Drogen zu einem immer größeren Problem in der Arbeitswelt werden. Dazu gehört auch der Konsum einer immer größeren Vielfalt von Drogen. Es wird wichtig sein, den Konsum dieser Substanzen in Zukunft zu überwachen, insbesondere im Hinblick auf Stoffe zur Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Veränderungen bei den Arbeitsmustern, einschließlich der verstärkten Telearbeit während der COVID-19-Pandemie und der Zunahme kurzfristiger und prekärer Beschäftigungsverhältnisse, gehe häufig auf Kosten der traditionellen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Menschen, die unter diesen Bedingungen arbeiten, sind möglicherweise einem hohen Risiko des Drogen- und Alkoholkonsums ausgesetzt, um den Stress und die Belastungen dieser Arbeitsmuster zu bewältigen, insbesondere da sie möglicherweise keinen festen Arbeitsplatz oder Arbeitgeber haben, der sie unterstützt und verhindert, dass Probleme eskalieren. Es müssen neue Präventionsmodelle entwickelt werden, um den Bedürfnissen dieser Menschen Rechnung zu tragen.
Implikationen für Politik und Praxis
Grundlegendes
- Es wird empfohlen, dass Arbeitgeber eine Alkohol- und Drogenkonsumpolitik als Bestandteil ihrer Gesundheits- und Sozialpolitik und nicht als Disziplinarmaßnahme verfolgen.
- Zudem sollten die oben erläuterten wesentlichen Grundsätze der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen für den Umgang mit drogenbedingten Problemen am Arbeitsplatz eingehalten werden.
Chancen
- Eine Beschäftigung zu finden, ist ein wichtiger Bestandteil der sozialen Wiedereingliederung. Daher ist es wichtig, dass Menschen, die ein Alkohol- oder Drogenproblem haben oder hatten, wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Wird mit Arbeitgebern an der Beseitigung der Hindernisse für die Beschäftigung von Menschen gearbeitet, die drogenbedingte Probleme hatten oder haben, kommt dies sowohl der Organisation und den Menschen, die versuchen, ihre drogenbedingten Probleme zu bewältigen, als auch der Gesellschaft insgesamt zugute.
- Arbeitsplätze bieten die Möglichkeit, gesundheitliche Aufklärung in Bezug auf Alkohol und Drogen zu betreiben und Personen mit problematischem Substanzkonsum zu identifizieren und zu unterstützen.
Defizite
- Es besteht Bedarf an einer Übersicht oder Bestandsaufnahme der vorhandenen Datenquellen sowie der aktuellen Maßnahmen und Interventionen zur Bekämpfung des Drogenkonsums am Arbeitsplatz. Zudem bedarf es einer Evaluierung der bestehenden Maßnahmen in Europa.
- Erforscht werden müssen der Umfang und die Art des Konsums von den Menschen optimierenden Drogen am Arbeitsplatz und dessen Auswirkungen.
- Für Menschen, die keinen festen Arbeitsplatz haben oder außerhalb einer klassischen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung tätig sind, müssen neue Präventionsmodelle entwickelt werden, die ihren Bedürfnissen gerecht werden.
Daten und Grafiken

Die Daten stammen aus der von der EU-OSHA koordinierten Dritten Europäischen Unternehmenserhebung über neue und aufkommende Risiken (ESENER 2019). Insgesamt wurden 45 420 Einrichtungen dazu befragt, wie bei ihnen mit Gesundheits- und Sicherheitsrisiken am Arbeitsplatz umgegangen wird, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf psychosozialen Risiken lag, d. h. auf Stress, Gewalt und Belästigung im Zusammenhang mit Arbeit.
Weitere Ressourcen
EMCDDA
- Social reintegration and employment: evidence and interventions for drug users in treatment (Soziale Wiedereingliederung und Beschäftigung: Evidenzdaten und Maßnahmen für Drogenkonsumenten in Therapie). EMCDDA Insights, 2013.
Sonstige Quellen
- Pompidou-Gruppe. Prevention of drug use in the workplace (Prävention von Drogenkonsum am Arbeitsplatz).
- Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Managing performance-enhancing drugs in the workplace: An occupational safety and health perspective (Umgang mit leistungssteigernden Drogen am Arbeitsplatz: eine Betrachtung aus der Perspektive der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes), Diskussionspapier, 2018.
- Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. A review on the future of work: performance-enhancing drugs (Betrachtung zur Zukunft des Arbeitens: leistungssteigernede Drogen), Diskussionspapier, 2015.
- Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. European survey of enterprises on new and emerging risks (Europäische Unternehmenserhebung über neue und aufkommende Risiken), 2014.
- Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Use of alcohol and drugs at the workplace (Alkohol- und Drogenkonsum am Arbeitsplatz), 2012.
- Shahandeh, B. and Caborn, J. Ethical issues in workplace drug testing in Europe (Ethische Fragen bezüglich Drogentests am Arbeitsplatz in Europa). Internationale Arbeitsorganisation, Genf, 2003.
- Internationale Arbeitsorganisation. Management of alcohol- and drug-related issues in the workplace. An ILO code of practice. (Umgang mit alkohol- und drogenbedingten Problemen am Arbeitsplatz. Praxisleitfaden der IAO.) IAO, Genf, 1996.
Über diesen Leitfaden
Dieser Leitfaden bietet einen Überblick darüber, was bei der Planung oder Durchführung gesundheitlicher und sozialer Maßnahmen zur Bewältigung drogenbedingter Probleme am Arbeitsplatz zu berücksichtigen ist, und gibt einen Überblick über die verfügbaren Maßnahmen und ihre Wirksamkeit. Darüber hinaus werden die Auswirkungen auf Politik und Praxis beleuchtet. Dieser Leitfaden ist einer von mehreren Publikationen, die unter dem Titel Gesundheitliche und soziale Maßnahmen im Umgang mit Drogenproblemen: ein europäischer Leitfaden zusammengefasst sind.
Empfohlene Zitierweise: Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (2022), Arbeit und Drogen: gesundheitliche und soziale Maßnahmen, https://www.emcdda.europa.eu/publications/mini-guides/workplaces-and-dr….
Identifikatoren
HTML: TD-09-22-044-EN-Q
ISBN: 978-92-9497-699-4
DOI-Nummer: 10.2810/416043