Problemstellungen

Viele junge Menschen experimentieren mit Drogen, aber nur die wenigsten werden im jungen Erwachsenenalter drogenabhängig. Am stärksten gefährdet sind sozial benachteiligte junge Menschen sowie jene, deren Familienangehörige oder Freunde Drogen konsumieren. Verstärkt wird die Anfälligkeit durch individuelle Faktoren, wie beispielsweise eine gestörte Impulskontrolle, sowie durch einen Substanzkonsum in jungen Jahren.

Anfällige junge Menschen, die eine Drogenabhängigkeit entwickeln, berichten häufiger über Angststörungen und Depressionen, psychotische Symptome und Störungen, Suizidgedanken und Suizidversuche, durch Blut übertragbare Infektionen, Schulabbrüche und die Unfähigkeit, einen Arbeitsplatz zu finden. Nicht immer ist klar ersichtlich, in welchem Maße diese Probleme die Anfälligkeit für drogenbedingte Probleme erhöhen oder umgekehrt durch drogenbedingte Probleme verursacht werden.

Mögliche Maßnahmen

  • Maßnahmen der selektiven und indizierten Prävention können eingesetzt werden, um frühzeitig einzugreifen und zu verhindern, dass anfällige junge Menschen beginnen, Drogen zu konsumieren, und daraus einen regelmäßigen und problematischen Konsum entwickeln.
  • Kurze Screening-Fragebogen können hilfreich sein, um in Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung bei Heranwachsenden etwaige durch den Konsum illegaler Drogen bedingte Probleme zu ermitteln.
  • Internetgestützte Screenings und Kurzinterventionen sind vielversprechende Optionen, um anfällige junge Menschen zu erreichen, die mit Mobiltelefonen und dem Internet vertraut sind und zögern, Gesundheitsdienste in Anspruch zu nehmen.
  • Behandlungsdienste für junge Menschen mit schwerwiegenden drogenbedingten Problemen, die geeignete Behandlungskonzepte benötigen, wie beispielsweise multidimensionale Familientherapien.
  • Es werden Nadel- und Spritzenaustauschprogramme für junge injizierende Drogenkonsumenten benötigt, da für sie in den ersten Jahren des injizierenden Drogenkonsums ein hohes Risiko besteht, sich mit durch Blut übertragbaren Infektionen anzustecken. Jungen injizierenden Drogenkonsumenten sollte routinemäßig eine Hepatitis-B-Impfung angeboten werden.
  • Haftanstalten, aufsuchende Programme, Nadel- und Spritzenaustauschprogramme sowie Gesundheitseinrichtungen sind geeignete Settings, um junge Menschen zu erreichen, die anfällig für durch den injizierenden Konsum bedingte Schädigungen sind.

Die Situation in Europa

  • In Österreich, Dänemark, Deutschland, Portugal und Spanien wurden selektive Präventionsmaßnahmen für die Schüler berufsbildender Schulen durchgeführt.
  • In Irland wird ein umfassenderer Ansatz verfolgt, indem man versucht, die Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse benachteiligter Schüler zu fördern.
  • In Italien und Nordeuropa werden im Rahmen gemeindebasierter Interventionen für besonders gefährdete Gruppen junger Menschen aufsuchende Tätigkeiten, Jugendarbeit und die formale Zusammenarbeit zwischen lokalen Behörden und Nichtregierungsorganisationen kombiniert.

Überblick über die verfügbare Evidenz

Maßnahmen für anfällige junge Menschen

Mögliche Maßnahme Qualität der Evidenz

Es ist möglich, bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, welche die Anfälligkeit erhöhen, frühzeitig zu erkennen und ihnen beispielsweise durch Programme zur Verbesserung der Selbst- und Impulskontrolle entgegenzuwirken.

Evidenz mittlerer Qualität

Screenings und Kurzinterventionen stellen einen vielversprechenden Ansatz der indizierten Prävention dar, für den noch Evaluierungsbedarf besteht. Die elektronische Durchführung von Screenings und Kurzinterventionen mithilfe von Computern und Mobiltelefonen könnte offenbar ebenfalls vielversprechend sein, jedoch sind auch hier weitere Forschungsarbeiten zur Beurteilung ihrer Wirksamkeit vonnöten.

Evidenz geringer Qualität

Im Rahmen evidenzbasierter Konzepte erhalten anfällige Jugendliche Unterstützung bei der Verbesserung ihres allgemeinen Bildungserfolgs (diese Maßnahmen werden insbesondere für männliche Jugendliche angeboten) und bei der Entwicklung ihrer persönlichen und sozialen Kompetenz. Darüber hinaus werden Familien die erforderlichen Fähigkeiten für die Erziehung und Beaufsichtigung ihres Nachwuchses vermittelt. Mentoringprogramme können für anfällige Jugendliche hilfreich sein.

Evidenz geringer Qualität

Zu den evidenzbasierten Konzepten für jüngere Kinder („Kinderschutz“) zählen Programme, in deren Rahmen Hausbesuche bei gefährdeten und sozial ausgegrenzten Familien durchgeführt werden.

Evidenz mittlerer Qualität

Zeichenerklärung

  • speedometer at highEvidenz höherer Qualität— mindestens eine aktuelle systematische Auswertung hochwertiger Primärstudien mit kohärenten Ergebnissen. Die Evidenzdaten sprechen für die Durchführung der Maßnahmen in dem Kontext, in dem sie evaluiert wurden.
  • speedometer at mediumEvidenz mittlerer Qualität— mindestens eine aktuelle Auswertung einiger Primärstudien zumindest mittlerer Qualität mit insgesamt kohärenten Ergebnissen. Die Evidenzdaten lassen den Schluss zu, dass diese Maßnahmen in dem Kontext, in dem sie evaluiert wurden, hilfreich sein dürften; es werden jedoch weitere Evaluierungen empfohlen.
  • speedometer at lowEvidenz geringer Qualität— einige Primärstudien hoher oder mittlerer Qualität, aber keine Auswertungen verfügbar ODER es liegen Auswertungen mit inkohärenten Ergebnissen vor. Es liegen gegenwärtig nur begrenzte Evidenzdaten vor, aber die verfügbaren Daten sind vielversprechend. Es könnte sich also unter Umständen lohnen, diese Maßnahmen in Erwägung zu ziehen, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausweitung von Diensten, um neue oder bislang nicht gedeckte Bedürfnisse zu erfassen; es sind jedoch Evaluierungen erforderlich.

Weiterführende Informationen

Nadel- und Spritzenaustauschprogramme, HBV-Impfungen und die opioidgestützte Substitutionsbehandlung sind bei älteren injizierenden Drogenkonsumenten und wahrscheinlich auch bei unter 18-Jährigen wirksam, wobei Letzteres bislang noch nicht nachgewiesen wurde.

Konsequenzen für Politik und Praxis

Grundlegendes

  • In Europa umfassen die wichtigsten anfälligen Gruppen junger Menschen junge Straftäter, Schulabbrecher oder Jugendliche, bei denen die Gefahr eines Schulabbruchs besteht, Jugendliche mit schulischen oder sozialen Problemen, junge Obdachlose, Jugendliche in Betreuungseinrichtungen sowie Jugendliche aus marginalisierten ethnischen Gruppen und gefährdeten Familien.
  • Statt reiner Sensibilisierungs- und Aufklärungskonzepte sollten evidenzbasierte selektive und indizierte Präventionskonzepte angeboten werden, die auf den Substanzkonsum anfälliger junger Menschen abzielen. Aufsuchende Konzepte (in deren Rahmen die Zielgruppe zu Hause oder auf der Straße aufgesucht wird) eignen sich besser als standortgebundene Konzepte (bei denen die Betroffenen bei den Einrichtungen erscheinen müssen).
  • Für die kleine Gruppe junger Menschen mit gravierenden Problemen müssen Behandlungs- und Schadensminimierungsdienste angeboten werden.

Mögliche Maßnahmen

  • In Europa gibt es nur sehr wenige indizierte Programme, die auf verhaltens- und temperamentsbedingte Vulnerabilitäten neurobiologischen Ursprungs abzielen, jedoch wurde die hohe Wirksamkeit solcher Programme in nordamerikanischen Studien nachgewiesen. Die Ausweitung des Angebots solcher Programme in Europa könnte erhebliche Wirkung zeigen.

Defizite

  • Es besteht die Notwendigkeit, die Evidenzbasis für die Wirksamkeit der Behandlungs- und Schadensminimierungsdienste für unter 18-Jährige mit schwerwiegenden drogenbedingten Problemen zu erweitern. Darüber hinaus sollten Modelle für bewährte Verfahren ermittelt und weitergegeben werden.
  • Es müssen weitere Erkenntnisse über die Verfügbarkeit und das Angebot von Drogenbehandlungsdiensten für junge Menschen mit drogenbedingten Problemen gewonnen werden, um zu ermitteln, wo ein erweitertes Angebot vonnöten ist.